Montag, 18. März 2019

Zeit

Im letzten Sommer bekam ein befreundeter Antiquar
einen geradezu phantastischen Posten Papier
und bat mich um Hilfe, bei Durchsicht und Taxierung.
Es handelte sich um Briefe/Belege/Bescheinigungen/
simple Notizen und Behördenpapier uvm. aus der Zeit
1540 - 1925 mit Schwerpunkt Westeuropa 1600 - 1700.
Insgesamt ca 450 Stücke.

Mein Job war ua. Briefe von wichtigen Persönlichkeiten
zu identifizieren, da die ganze Partie zu einer Auktion
eingeliefert werden sollte und jede beigefügte Information
Geld wert ist.

Lange her, dass ich dermaßen geflasht war.
Keine Ahnung, wieviele Stunden ich
in dem Material abgetaucht bin.
Überwiegend konnte ich kaum einen Satz entziffern und
holte mir Hilfe von einem Freund, der es besser kann.
Es gestaltete sich dennoch oft schwierig,
viele Belege waren aus Belgien, Frankreich und Holland.
Selbst wenn man fließend französich spricht....
....hat das nicht viel zu tun, mit der Sprache von 1622.

Sreckenweise hatten wir trotzdem nur Vermutungen.
Ein Lied ?
Ein Gedicht ?
Nun gut...ein Vers auf jeden Fall...
...von WEM ?

Das Zusammenspiel der Dokumente war ebenfalls
ein echtes Ereignis.
Da wurden die Bürger ausgenommen,
um eine kleine Brücke zu bauen und mußten dann
für die Benutzung auch noch Brückenzoll entrichten.
Die Zollgebühren waren so umfangreich und detailiert,
dass sie ein DIN A0 - Blatt füllten.
Ob ich einen Sack Getreide auf dem Rücken schleppte,
oder ob mein Pferd die achtfache Menge schaffte...
ob ich drei Fuhrwerke mit spanischem Wein führte,
oder nur ein Huhn ins Nachbardorf zu meinem
Onkel brachte....
Bezahlenbezahlenbezahlen.

Die Menschen damals, waren nicht zu beneiden.
Sie hatten den gleichen Unbill am Hals wie wir
und dazu noch Hunger,Krieg und absolute Obrigkeitswillkür.

Manche Briefe waren so schön, das ich sie selbst
gekauft habe.


Am liebsten hätte ich sowieso die ganze Partie übernommen.

Mein Favorit ist dieser Brief, aus dem Jahr 1595.
Auch er ist wunderbar geschrieben.

Behalten habe ich ihn, wegen des Kleckses.
Hat der Unterzeichner (der den Brief nicht selber schrieb)
den Klecks zu verantworten.... und dann gedacht:
" Scheiße, DER Tag fängt ja GUT an!"
Hat der Schreiber den Klecks verursacht
und ist entlassen worden, weil er ANDAUERND rumsaut ?
Bei einem so akkuraten Schriftbild,
war es sicher ein echtes Ärgernis -
Vielleicht ist auch beim wegräumen der Feder
das Unglück geschehen...der Brief war schon
unterzeichnet und niemand hat etwas bemerkt.
Dann schnell zusammengefaltet und....MIST
...auch noch ein Abschlag GENAU in der Unterschrift !
Hoffentlich geht das gut!

400 Jahre sind letztlich doch nur
ein Katzensprung.



11 Kommentare:

  1. Das ist ja der absolute Hammer! Dass du da geflasht warst, kann ich bestens nachvollziehen. Und das mit dem Lesen dieser Schriften ist ja wirklich nicht ohne... Und dann noch in Fremdsprachen aus einer Zeit lange her...
    Wir haben uns eine zeitlang mit alten Schriften beschäftigt, um die Briefe und vor allem die alten Kirchbücher entziffern zu können, da hatten wir schon ganz gut Übung. Mittlerweile muss ich wieder fast vor vorn anfangen, wenn ich die Urkunden lesen will.
    Habt ihr denn irgendwelche bekannten Persönlichkeiten ausfindig machen können?
    Wer war da so bei der Versteigerung? Wer kauft das? Und wurden alle einzeln versteigert? Konnte man die vorher ansehen? Weißt du, von wem die Stücke sind, die du gekauft hast?
    Fragen über Fragen. Ich weiß, aber das alles beschäftigt mich. Warum wohnst du nicht einfach um die Ecke? Wäre viel einfacher :)
    Ach, hast du die Bilder hier bearbeitet, oder waren sie wirklich noch so weiß?
    Ciao Beate

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    1. Ein paar "Bekannte" waren dabei, wenn man im Geschichtsunterricht aufgepasst hätte....
      Kaiser Rudolf II, Moritz von Hessen- Cassel, Prinz Eugen von Savoyen und noch einige andere.
      Ich mußte die Jungs allesamt erst recherchieren.
      Bei Auktionen gibt es immer eine Vorbesichtigung - mittlerweile ist auch sehr viel im Internet abgebildet. Früher konnte man sich auch Stücke zur Ansicht schicken lassen.
      Bei dieser Auktion war ich nicht dabei, aber das Publikum ist immer gleich und sehr unspektakulär.

      Wir haben die Partie in ca. 25 "Portionen" aufgeteilt, dabei waren sowohl Einzelstücke, als auch thematisch zusammenhängende Konvolute.
      Bis auf drei Sachen wurde alles zugeschlagen - leider zum Teil erschreckend niedrig (Ich hätte es wirklich selber kaufen sollen...).

      Zu den Käufern gehören unterschiedlichste Leute,meist Historiker und Heimatsammler, aber auch Museen und Autographensammler.

      Von dem ursprünglichen Eigentümer weiß ich nur,
      das er fast schon süchtig nach alten Schriften und entsprechenden Büchern war.
      Gut für die Nachwelt.

      Ja,würde ich um die Ecke wohnen, wäre es echt einfacher...und ich wäre auch schon mit 'nem Suchgerät in Eurem Brunnen verschwunden...:)

      Die Belege sind nicht ganz so weiß gewesen. Ich hatte doof fotografiert (alles hatte einen Blaustich)und habe die Bilder bearbeitet.

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    2. Hab' Dank, dass du - wirklich alle - meine Fragen beantwortet hast!
      Moritz von Hessen? Mir scheint, ich habe im Geschichtsunterricht auch nicht aufgepasst,
      aber das war mir eigenlich auch schon vorher klar…
      Wie interessant und spannend Geschichte sein kann, fand ich erst viel später heraus.
      War das jetzt die absolute Mega-Ausnahme, oder hast du häufiger mit so interessanten Dingen zu tun?

      Und ja, der Brunnen :) Ich habe dir noch gar nicht erzählt, dass es 3 davon auf der Hofstelle gibt…
      aber nur einen unter dem Haus.
      Mein Sohn, der sonst für solche Projekte sehr viel übrig hat, zeigt so gar kein Interesse. Verstehe
      ich gar nicht. Kommt vielleicht noch - Magnet-Fischen findet er ja auch megaspannend.

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    3. Noch ne Frage :)
      Weißt du, ob so alte Schriftstücke Schaden nehmen, wenn sie eingescannt werden, also Laser-Strahlen abbekommenß

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    4. Solche alten (oder nicht ganz soooo alten,aber nicht weniger interessanten)
      Stücke tauchen immer wieder auf.
      Allerdings nicht annähernd in dieser Fülle.

      Ich weiß nicht, ob Scanner-Strahlen schädlich sind - glaube aber nicht.
      Tageslicht ist viel schlimmer und geht ratzfatz (ausbleichen etc.)

      DREI BRUNNEN ???
      Ich glaube, ich muß umziehen...-)

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    5. Ich glaube, du musst nicht umziehen :)
      Im Gespräch ist, dass die obere Etage des alten Hauses zur Ferienwohnung ausgabaut wird. Wenn das durchgeht, dann könntest ihr ja mal für ein (verlängertes) Wochenende hierher kommen. Sooo weit ist es ja auch nicht vom Mittelrhein (?) bis nach Norddeutschland. Und wir könnten gemeinsam mit den Farben pantschen. Und du könntest die 3 Brunnen untersuchen.Das wäre doch ziemlich klasse, oder?
      Und Dank für deine Antworten auf meine Fragen.



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    6. Schöne Idee - mal sehen, wie die Welt sich weiter dreht.

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  2. wow!! Selbst wenn man kein Wort entziffern oder gar verstehen kann, so ist jedes einzelne Schriftstück schon ein Gesamtkunstwerk für sich. Als wäre eine Fee ins Tintenfass gesprungen und anschließend übers Papier getanzt... :-)
    Das kann kein PC...

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    1. Das hast du soo schön geschrieben! Es reizt mich, diese Fee zu malen, die nach ihrem Sprung ins Tintenfass über das Papier tanzt....

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    2. Die "Fee" sehr schön bildhaft!
      Hast absolut recht - Gesammtkunstwerk trifft es genau.
      Die unterschiedlichen Schriftbilder wären auch für jeden Graphologen eine feine Herausforderung.

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  3. Erde an Snow:
    Weilst du derzeit auf diesem Planeten?

    Ciao Beo
    die nicht weiß, ob sie sich Sorgen machen muss :)

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