Sonntag, 22. Januar 2012

Reisebericht



Los geht´ s in einer imaginären Kleinstadt am Niederrhein – nennen wir sie Geldern –
mit dem ebenso imaginären Ziel Möbelmesse Köln.

Wenn viele Bekloppte (incl. mir) in eine Richtung wollen , ist mir lieber, es sitzt nur einer am Steuer, darum wähle ich die Bahn als Transporter.

8.00 Uhr am Bahnhof zu sein ist human, wären da nicht diverse Handicaps: Ich bin grippig und durch einen Migräne-Flash am Vorabend hoch sensibilisiert für Licht und jede Form von Geräusch.
Ein Kran hievt mich aus dem Bett. Das Frühstück besteht aus starkem Kaffee, Kippen und einer handvoll Pillen, die den Probanden 8 Stunden rotzefrei halten sollen.
Das Reisegepäck ist schnell verstaut. Kamera, Tele für die Stände mit dem „nicht fotografieren“ -Schild, eine gebundene Ausgabe von T.C. Boyle für 3 Stunden Zugfahrt, Notizbuch, der Schokoriegel für Unterzuckerungsnotfälle, diverser Kleinkram wie jede Menge Taschentücher, insgesamt ein halber Rucksack Material.

Auf dem Bahnsteig begrüßt mich ein derber Wind, ich befürchte den restlichen Tag mit
Howard Carpendales Frisur zu verbringen.
Der Zug ist pünktlich, nicht zu voll und sogar geheizt.
Umsteigen in Krefeld, der Zug ist brechend voll feuchter Pendler, das Klima erinnert mich
spontan an eine geschlossene Primatenabteilung.
Die 10 wichtigsten Virenstämme haben sich hier versammelt, um sich in die 10 kommenden, wichtigsten Virenstämme zu verwandeln.
Ich werde versuchen, eine Stunde nicht zu atmen.

Immerhin ergattere ich einen Sitzplatz und schaffe 30 Seiten Boyle, bevor mich ein Schutzreflex davon abhält, dem Typ zwei Sitze weiter mit dem Buchrücken das Nasenbein zu brechen. Nicht mal seine Begleitung scheint die müde Geschichte zu interessieren, die er da über den halben Zug verteilt.
Die letzten 10 Seiten werde noch mal lesen müssen.

Köln Deutz, ein Katzensprung bis zur Messe. Ich will zurück in mein Bett.
Nach den ca. 40 Stufen rauf bis zum Eingang Süd erwarte ich die Titelmusik von „Rocky I“.

17,- Eintritt, Jacke abgeben? Besser nicht.
Auf dem kompletten Gelände herrscht Rauchverbot, man darf trotz gültigen Tickets nicht kurz raus und dann wieder rein. Ich fühle mich benachteiligt und werde vorsichtshalber nervös.
8 Hallen mit 1200 Ausstellern – auf geht’s.



Warten auf den Funken, die eine Szene, die den nächsten Stunden den gewissen Touch gibt.
Flow.

Nach 30 Metern die erste griffige Nummer: Kein Schwein weit und breit aber ein Haufen Anordnungen.

Jetzt nur nicht auf der falschen Fährte bleiben.
Nach einer Stunde schlendern bin ich nass geschwitzt, packe kurzerhand die Joppe, die ich unter der Jacke trage, in den Rucksack, der daraufhin aussieht, als hätte ich einen Medizinball dabei. Und sich mit Buch und Tele und einigen Werbeprospekten auch so trägt.
Langsam brauch ich ´ne Fluppe, ein sicheres Zeichen für die aufkommende Langeweile.

Es ist nichts zu sehen, was mich auch nur minimal inspiriert, ankickt, anschreit, in die Seite knufft.
Hier und dort eine mutige Farbe, eine sehr geschmeidige Form, immer gepaart mit einem Herrn, der einen möglichst unauffällig beobachtet, wenn man im Vorbeigehen die Geschwindigkeit reduziert.
Das Tele hätte ich mir sparen können; die Produzenten, die das „Nicht fotografieren- Schild“
ausliegen haben, sind zu 90 Prozent die mit den durchschnittlichsten Produkten.

Auf dem Weg in die nächste Halle, ich bekomme Hunger. Ein belegtes Brötchen und der schlechteste Kaffee der Welt für 6,80 Euro.
Während ich kaue, mache ich die Entdeckung des Tages: 50 Meter rechts ist ein Schleusenausgang zur nächsten Halle. Dort steht nicht nur eine freundliche Dame, die Schirme für den ungemütlichen Weg verteilt sondern auch ein Haufen Raucher!
Halleluja!
Die Schleusentore sind mehr auf als zu, der Regen fegt herein, verwirbelt sich mit der Abluft der Klimaanlage zu einem satten Gemisch aus Legionärskrankheit und Tabakqualm.
Ich fühl mich gut aufgehoben.

So gegen 14.00 Uhr stelle ich fest, dass die beeindruckendsten Design – Ideen sich hinter den Ständen befinden.

Gerade als ich beschließe, meine Tour ausklingen zu lassen, läuft mir mein Auftraggeber über den Weg. Also, die Wahrscheinlichkeit hätte ich gerne mal ausgerechnet!
Wir essen einen Happen an einem Stehtisch, auf Barhockern sitzend, die sich irgendein Schwachkopf ausgedacht hat. Um nicht herunterzurutschen, muss man seine Füße um eine Stange schlingen, die als Fußstütze schlicht komplett ungeeignet ist. Mir fällt auf der Stelle Mr. Bean ein.
Es tut gut über die anderen Besucher zu lästern, z.B. die Lehrer, die alle im selben Lehrerverkleidungsgeschäft eingekauft haben, oder die duften Typen, die den Schal auf die für Männer neue Art tragen: Beide Enden durch die entstehende Schlaufe schieben.
Leute, steckt euch doch gleich noch so´ n Cocktail-Schirmchen in ´s Resthaar !

Für heute reicht´ s, noch 30 Minuten, bis der Zug kommt.
Schnell noch pinkeln.
Damit es noch mehr nach Pisse riecht, hat ein cleverer Geschäftsmann diese Idee gehabt:



Mein untrüglicher Orientierungssinn bringt mich sicher zum Ausgang. Leider ist es der
Ausgang Ost!
Da ich mittlerweile die Joppe wieder unter die Jacke gezogen habe, bringt mein unauffälliger Spurt zum Bahnhof durch den Ausgang Süd meine Körpertemperatur auf 40 C.
Halb so wild – der Bahnhof Deutz ist so konstruiert, das Scott und Amundsen sich zuhause gefühlt hätten. Ein steifer Nordost verlangt den Wartenden einiges ab und kühlt mich auf 30 C runter.

Kurz bevor der Zug einfährt, sehe ich aus dem Augenwinkel einen hünenhaften Kerl erscheinen. Geschätzte 110 Kilo auf etwas über 2 Meter verteilt und kein Gramm Fett, dazu eine auffallend bunte Jacke und Bürstenhaarschnitt.
Alles in allem wie der schmerzunempfindliche Riese aus den Stieg Larsson – Verfilmungen, nur 20 Jahre jünger.
Der erste Gedanke bei mir (und den Umstehenden):“Hoffentlich setzt der sich nicht neben mich!“
120 Passagiere steigen aus, 150 steigen ein, wer peilt den freien Platz neben mir an?
Die Wahrscheinlichkeit hätte ich dann bei der Gelegenheit auch gerne mal ausgerechnet.
„Passt schon“ sagt er, während ich meinen Rucksack evakuiere und setzt sich hin, ohne mich auch nur ganz leicht zu berühren. Respekt.

Mein letzter klarer Gedanke ist, dass erstaunlich viele Leute in Dormagen aussteigen.

Freitag, 13. Januar 2012

Denken an Gedanken

Ich sitze am Tisch und schreibe eine Einkaufliste,
es läuft Musik im Hintergrund,ich kann in den Garten gucken.

Was kochen wir?
Am besten was für zwei Tage.
Kartoffeln
Salat
Ah,da ist das Rotkelchen wieder.
Wie lange leben die eigentlich?
Wollte noch Winterfutter kaufen.
Obwohl...ist diesen Winter wohl nicht nötig.
Milch
Sahne
Eier
Aufschnitt
Cooles Lied!
Muss jetzt langsam mal Peter fragen,
wo er seine Musik runterlädt.
Jedesmal nehmen wir uns vor,uns häufiger zu sehen.
Aufschnitt
Ach,hab ich ja schon.
Rotkelchen sind voll kitschig.
Mit diesem albernen Schnabel.
Ich ruf gleich Peter an.
Eigentlich wollten wir auch mal wieder grillen.
Schnitzel
Paniermehl
...



Müßten in einer schematischen Darstellung von Gedanken jeder Einzelne
gleich lang sein? Unabhängig von der Zeit,die er in Anspruch genommen hat?
Ist die Auflistung oben ein einziger Gedanke?
Hat ein durch Gefühl ausgelöster Gedanke
die gleiche Ausdehnung wie einer,der reinem Pragmatismus folgt?






Denkt man das Fragezeichen als Symbol ?